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hinter klostermauern entfaltet sich eine bezaubernde architekturgeschichte. nichts ungewöhnliches in salzburg, könnte man sagen, wäre da nicht diese außergewöhnliche kraft des neuen. so viel frische und klarheit im kontext der altstadt kommen unerwartet. die interpretation franziskanischer tugenden oder eher das unverblümte bekenntnis eines vom gestaltungspotenzial der moderne überzeugten architekten? wer johannes wiesflecker kennt, hält beides für sehr wahrscheinlich. üblicherweise erscheint die moderne im historischen kontext salzburgs doch etwas bedeckter, weniger ergriffen vom lustvollen spiel. der gegensätze. draußen, wo es öf-fentlich wird, dominiert die theatralische wucht großer architekturen. das heute verhält sich weitgehend unsichtbar, es hat keinen weg gefunden, angemessene präsenz zu zeigen. für außenstehende stellt sich die frage, wie denn festspiele von so inspirierender künstlerischer qualität den alltag spurlos beiseitelassen können. kein impuls für ein allgemein verfeinertes leben? nun, die franziskaner zeigen, wie eine produktive symbiose aussehen kann. befreit von der last des alltags, spannt sich der bogen mit besonderer grandezza vom frühen mittelalter bis ins jetzt. das neue ordnet sich rücksichtsvoll in die geschichte ein, ist ungewohnt präsent, so wie es im historischen salzburg meist erfolgreich verhindert wurde. dabei geht es nicht um neu versus alt, sondern um die offenheit, einen qualifizierten architektonischen diskurs zuzulassen und zu fördern. so kann es gelingen, die stadt in all ihren teilen, auch in ihrer mitte, baukulturell lebendig zu halten. im zuge einer langjährigen generalsanierung wurde mit viel einfühlungsvermögen ergänzt, entfernt, erneuert — ein prozess des steten abwägens und überlegens. nie ging es johannes wiesflecker und seinem team um vordergründige effekte, um den schnellen erfolg. im blick war stets das gesamtergebnis, alles erscheint im großen gesamtzusammenhang stimmig. heute betritt man das kloster indirekt über den garten, eine entspannte grüne oase in der dicht bebauten altstadt. sie ist der beginn einer neu ins gefüge eingeschriebenen raumsequenz, die die besucher*innen entlang des gartens zur gegenüberliegenden neuen treppe führt. dieses entzerren des weges bezeichnet johannes wiesflecker als „kontemplative distanz" und nimmt so unwillkürlich bezug auf franziskanische gesinnungen. die neue treppe in der fuge zwischen hauptgebäude und stöckl empfängt in raffinierter räumlicher gelöstheit. beton mit sägerauer brettschalung korrespondiert mit dem porösen stein der pfeiler, dunkel trifft auf hell, fragiles auf schweres ... scheinbare gegensätze, die mitgroßer sicherheit in anregender balance gehalten werden. alles ist ver-traut und dennoch leicht verrückt anders. man taucht ein in eine besondere atmosphäre, reduziert einfach, das meiste bleibt hintergründig, nichts drängt nach vorne. es verbleibt viel raum für menschen, für das lebendige. mitgroßer sorgfalt wurden die räume neu ausgestattet und möbliert. das material be-stimmt die atmosphäre, der neue terrazzo-boden im historischen kreuzgang moderiert das licht besonders eindrucksvoll. die einrichtung aus holz ist mehr als nur funktionell, sie unterstützt raumbildung und stimmung. subtil und erst auf den zweiten blick erkennbar werden kleine anekdoten eingewoben die einfach erscheinende kleiderablage für das gewand der mönche entpuppt sich als komplexes objekt. es erweist sich heute als besonderer glücksfall, dass johannes wiesflecker 2014 mit den arbeiten betraut wurde. er hat gezeigt, dass er die nötige beharrlichkeit und ausdauer besitzt, um ein so forderndes projekt zu realisieren. ein besonderes lob gilt auch der weitsicht der bauherren und deren bereitschaft, den aufwendigen prozess mitzugehen. es ist selten geworden, dass architektur mit so viel konzentration auf die eigentliche sache, abseits von unausweichlichen programmen, tausendfachen normen und labels betrieben wird. die arbeit ist ein beleg dafür, was handwerklich noch immer möglich ist, wenn eine entsprechend in die tiefe gehende planung das notwendige fundament dafür legt. die arbeit ist ein gelungenes gegenstück zur „fast architecture" von heute. es bleibt zu hoffen, dass auch die noch verbleibenden arbeiten zeitnah umgesetzt werden. wie die transparente gestaltung des großen tores, sodass die öffentlichkeit zumindest eine leise ahnung vom zauber des geschichtsträchtigen klosters bekommen kann. peter riepl, 2022. architekturpreis´22 land salzburg. 14-20 |